Jugendtraining: Wo Kinderherzen höher schlagen

Auszug aus dem Artikel der FNP vom 15.03.2021:

Nach mehr als vier quälend langen Monaten dürfen die Vereine wieder Mannschaftstraining für Kinder unter 15 Jahren anbieten. TZ-Sportchef Thorsten Remsperger hat auf drei Sportplätzen in viele strahlende Kindergesichter geschaut und sich mit Vereinsfunktionären unterhalten, wie sie durch den Lockdown gekommen sind.

Der wohl schönste Moment in den langen Monaten des Wartens ereignet sich direkt vor dem Training. Für Ryan, Julius und Lasse muss das sich wie für andere vor einem Rock-Konzert anfühlen, wenn die Menge mit rhythmischem Klatschen vor der Bühne die Band sehnlichst erwartet. Oder wie im Urlaub, wenn man erstmals zum Strand läuft, das Meer schon sehen kann, aber eben erst noch der Liegeplatz ausgedeutet werden und dort alles hingetragen werden muss, bevor man sich endlich in die Fluten stürzen darf.

Das alles ist zurzeit nicht möglich. Ryan, Julius und Lasse wünschen sich an jenem trüben Nachmittag im März aber ohnehin nur eines: endlich wieder Fußball zu spielen.

Neulich hatten die achtjährigen Jungen zu Hause vor dem Computer, wo sie sich während der Pandemie überdurchschnittlich oft aufhalten, noch ein Plakat vor die Kamera gehalten. Jeder für sich. „Wir“, „auf“ und „gemeinsam“ hatten sie draufgeschrieben und die großen Buchstaben ausgemalt. Damit beteiligten sich die Jungs an einer Aktion ihres Vereins Spielvereinigung 05/99 Bomber Bad Homburg, zu der die Trainer in den Gruppen-Chats aufgerufen hatten. In einer auf Facebook veröffentlichten Bilder-Collage ergaben die präsentierten Plakate dann folgende Bitte: „Wir wollen mit unserem Team wieder auf dem Sportplatz gemeinsam kicken“.

Vor einer Woche war die Hochphase des Aufstands junger Amateursportler im Netz gegen das Mannschaftssportverbot im Lockdown. So oder so ähnlich baten deutschlandweit viele Jugendfußballer, endlich ihr Hobby wieder unter freiem Himmel ausüben zu dürfen. Während auf den Spielplätzen und in Parks bei frühlingshaften Temperaturen schon wieder die Hölle los war, sah die geltende Verordnung des Landes Hessen weiterhin nur das Training in einer Zweier-Gruppe auf einer Sportanlage vor. Und weil in Bad Homburg mehrere Zweier-Gruppen auf einem Spielfeld gesichtet worden waren, hatte der Hochtaunuskreis für rund drei Wochen sogar alle Sportplätze für das Vereinstraining gesperrt.

Jetzt stehen Ryan, Julius und Lasse also mit ihren Mitspielern der F1-Jugend vor dem Eingangstor auf dem Kunstrasenplatz an der Sandelmühle, mit Maske im Gesicht, in gebührendem Abstand zueinander – und können es kaum abwarten, bis ihr Trainer Mounir Rguig das Eingangstor öffnet und sie hineinlässt

„Wir haben trotz allem den Kindern den Sport weiterhin ermöglicht. Viele haben das draußen auch durchgezogen, aber das war natürlich kein Vergleich zu richtigem Training.“ Am Sportplatz steht Yusuf Özcan, der in der Jugendabteilung der „Bomber“ gemeinsam mit Martin Eskericic die Sportliche Leitung innehat, und freut sich mit den Kids über den von der Politik abgesegneten Restart.

Yusuf erzählt von einem Geschicklichkeits-Parcours im Schlosspark, den die Trainer aufgebaut haben, damit ihn Eltern mit ihren Kindern absolvieren konnten. Auf öffentlichen Plätzen war das ja erlaubt. Der Trimm-dich-Pfad im Hardtwald sei auch von manchen Spielern für Einzeltraining genutzt worden, sagt Özcan. Auf dem Sportgelände an der Sandelmühle dagegen sei es zu bizarren Situationen gekommen. Auf der einen Spielfeldhälfte führte beispielsweise eine Zweier-Gruppe der „Nullfünfer“ gerade ihre Übungen aus, als auf der anderen Seite der Oberstufen-Kurs einer Schule in „Mannschaftsstärke“ Fußball spielte.

„Ein Abitursjahrgang, der durfte das ja“, schüttelt Özcan den Kopf. Themenwechsel bitte, aber schnell. Im gleichen Atemzug freut er sich über das bunte Treiben auf dem Platz. Ryan, Lasse und Julius spielen mit ihren Mannschaftskameraden Fußball.

Quelle: https://www.fnp.de/sport/regionalsport/jugendtraining-wo-kinderherzen-hoeher-schlagen-90242598.html (TZ-Sportchef Thorsten Remsperger, Frankfurter Neue Presse, Artikel vom 15.03.2021, Bild © Heiko Rhode)

 

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